Mit dem „Blame Game“ ein starkes Team garantiert ruinieren
Von Thomas Wuttke, PMP, PMI-ACP, PMI-RMP, CSM und IPMA-Level-B Alumni
Das erste Mal, als ich vom Blame Game hörte, waren alle Akteure rund um die EURO-Krise und den griechischen Staatsschulden nur noch damit beschäftigt, der jeweils anderen Partei die „Schuld“ an der Misere zu geben. Es ging den Beteiligten gar nicht mehr um eine Lösung, hieß es. Wichtig sei jetzt nur noch, dieses Blame Game zu gewinnen.
Opferhaltung
Blame Game. Es geht also nicht mehr um Lösungen, sondern nur noch darum, nicht schuld zu sein. Den Anderen schuldig zu machen: „Ich kann ja nichts dafür. Ich bin das Opfer, der arme Hund. Du bist an meinem Unglück schuld“.
Und um da ganz klar zu sein: Das wurde nicht mit der Staatsschuldenkrise erfunden, da bekam da (zumindest für mich) aber einen interessanten Namen. Blame Games gab es schon immer.
Adam und der Apfel

Das erste Blame Game wurde im Paradies gespielt. Auf die Frage von Gott, warum Adam von dem Apfel gegessen habe, sagt dieser, Eva sei schuld. Eva wiederum macht die Schlange verantwortlich. Am Ende fliegen alle drei aus dem Paradies (Genesis 3).
Entscheidungen treffen heißt Verantwortung übernehmen. Verantwortung übernehmen heißt Fehler machen. Mit dem Finger dann auf den Kollegen zeigen ist feige, aber auch bequem. Möglicherweise gibt es (moralisch) mildernde Umstände, wenn Gefängnis droht oder gar Leib und Leben auf dem Spiel stehen. Meist geht es aber einfach nur um lächerlichen Stolz und verletzte Eitelkeit.
Blame Games lassen sich besonders gut spielen, wenn Henne-Ei-Situationen auftauchen. Wenn es keine kausale Wirkungsketten gibt. Die heiße Kartoffel lässt sich dann einfach zurückgeben. Und wer nicht aufpasst, behält schneller den Schwarzen Peter auf der Hand, als ihm oder ihr lieb ist.
Dabei ist das aber kein Gewinner-Spiel, sondern sorgt eher für sehr viele Verlierer weil das eigentliche Problem nicht beseitigt wird, sondern zu Lasten Anderen auf Andere abgewälzt wird.
Vorbild
In meinem ersten Job – noch während des Studiums – machte unser Team an einem regnerischen Herbsttag einen schweren Auswertungsfehler. Ich arbeitete in einem Rechenzentrum und einem Kunden wurde eine komplett falsche Auswertung zugespielt. Es wurde hitzig überlegt, wie wir dies vertuschen und vielleicht auch noch dem Kunden in die Schuhe schieben könnten. Die Chancen standen gut. Und je nachdem wie man es drehte, hätte man auch zu Lasten des Kunden argumentieren können. Es waren meine ersten Tage im Berufsleben und ich blickte gespannt auf die Entwicklung.
Mein damaliger Chef hörte sich den verwegenen Plan der Mannschaft an, überlegte kurz, griff dann zum Telefon und offenbarte dem Geschäftsführer des Kunden die Misere. Keine Ausreden, sondern klar zum Ausdruck gebracht: „Wir haben Mist gebaut“. Die Mannschaft war fassungslos. Die Konsequenzen turbulent.
Bis heute habe ich diese Situation nicht vergessen. Und ich bin immer noch dankbar von der Größe, die „unser Chef“ damals gezeigt hat und durch diesen Schritt auch offenbarte. Gegen alle internen Widerstände. Ich dachte im ersten Moment „wie blöd ist der denn, das hätte man doch wunderbar vertuschen können“. Heute bin ich dankbar, dass ich dieser frühen Phase meines Berufslebens in diese Richtung geformt wurde.
Es war genau das Gegenteil eines Blame Games. Es war Verantwortung übernehmen für eine Situation, die durch sein Team entstanden ist. Er hatte damit definitiv nichts zu tun, hat sich aber vor die Mannschaft gestellt und mit geradem Rücken die Schläge eingesteckt. Und die dann nicht weitergegeben. Und auch keine Vertuschungsspielchen gespielt oder versucht, von unserem „Mist“ abzulenken.
Chapeau.
Let’s play the Blame Game

Entzauberte Blame Games sind übrigens eine ziemliche Peinlichkeit für den Initiator. Beobachten Sie einmal Ihren betrieblichen Alltag und werden Sie sich Ihrer Empfindung für den „Blamer“ bewusst, wenn solch ein Blame-Spielchen auffliegt.
Blame Games sind Gift für jede Entscheidungskultur. Wer Angst vor Fehler und dem Zeigefinger des Kollegen hat, trifft sicherheitshalber keine Entscheidungen mehr. Keine Entscheidungen aber bedeuten Stillstand. Ist ja aber nicht meine Schuld…
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