Was versteht man unter Risikoappetit?

Risikoappetit definieren und nutzen: Risk-Doctor-Briefing mit einem Beitrag von Dr. Ruth Murray-Webster.

Im August 2016 erschien dieses Risk-Doctor-Briefing im Netzwerk der  von Dr. David Hillson gegründeten Risk Doctor Partnership. Übersetzung und Bearbeitung von Thomas Wuttke, dem deutschen Mitglied der Risk-Doctor-Partnership.

Die Leistung einer Organisation hängt eng mit dem Verständnis des eigenen Risk Appetites (zu deutsch Risikoappetit oder auch Risikolust) zusammen.

Risikoappetit ist subjektiv
Wie groß ist Ihr Risikoappetit?

So erwarten z.B. Regulierungsbehörden von Gremien und Ausschüssen, dass die ihren Risikoappetit kennen. Und Führungskräfte vieler Organisationen aus Staat und Privatwirtschaft folgen ebenfalls diesem gedanklichen Ansatz.

Soweit, so gut. Aber es herrscht noch immer viel Verwirrung darüber, wie man Risk Appetite festlegt und ihn nutzt. Nutzt, um sicherzustellen, dass eine Organisation nicht zu viele (oder zu wenige) Risiken eingeht. Das Buch, „A Short Guide to Risk Appetite“ (Link am Ende des Artikels) gibt klare Ratschläge zu diesem Thema.

 Vier Faktoren für den Risikoappetit:

  1. Miteinander reden. Damit ist auch Zuhören gemeint. Es gilt, Respekt für abweichende Ansichten zu entwickeln. Unterschiedliche Wahrnehmungen in Bezug auf Risikoappetit sind unausweichlich. Sie entstehen aus dem Eingehen von Risiken als auch aus der vorhergehenden Erfahrungen mit eingegangenen Risiken. Diese Vielfalt ist wertvoll. Eine offene und ehrliche Unterhaltung ermöglicht es, verschiedene Ansichten auszudrücken und zu diskutieren.
  2. Infrage stellen. Eine Vielfalt von Ansichten zum Thema Risikoappetit ist normal und auch gewünscht. Aber Achtung! Gruppendenken kann die Risikowahrnehmung beeinflussen. Oder durch eine lange Gruppen-Zusammenarbeitet hat sich unbewusst eine einheitliche Herangehensweise entwickelt. Hier hilft ein neutraler Moderator. Hier hilft Infrage stellen. Dann erst können alternative Szenarien entwickelt werden, die eine offene Diskussion anfachen. Schließlich gilt zu klären, wie viel Risiko in einer gegebenen Situation zu viel wäre.
  3. Weitergeben. Haben die Entscheider erst einmal ein gemeinsames Verständnis des Risikoappetits entwickelt, geht es mit der Übersetzung in messbare Risikoschwellen weiter. Auf der Ebene der strategischen Ziele aber auch für das operative Geschäft, die Programme und die Projekte. Aber auch hier gilt: Eine offene Unterhaltung und das neutrale Infrage stellen sind auch während der Weitergabe wichtig und nötig.
  4. Überwachung. Jetzt kommt es darauf an, führende (und nicht nur nachlaufende) Indikatoren zu finden. Das Management muss erkennen können, ob das aktuelle Risikopotenzial die definierten Risikoschwellen überschreiten könnte. Das passiert dann, wenn das Risikopotenzial derart anwächst, so dass das mögliche Unsicherheitsergebnis nicht mehr toleriert werden kann. Oder das Risikopotenzial kommt an einen Punkt, an dem die Investition weiterer Ressourcen nicht länger berechtigt ist. Besteht die Gefahr, dass Risikoschwellen überschritten werden, muss das Management in eine andere Risk Attitude (Risikohaltung) wechseln.

Umsetzung oft nicht einfach

Die Umsetzung dieses Ansatzes ist in der Praxis schwerer als in der Theorie beschrieben. Sie erfordert eine Verhaltensänderung von der Unternehmensspitze und eine Akzeptanz auf allen Ebenen.

Risiko ist immer (immer!) subjektiv, aber viele Führungskräfte tun so, als ob es objektiv wäre. Dies führt naturgemäß zu Differenzen. Helfen kann hier einerseits nur starke Überzeugungsfähigkeit sowie andererseits ein Verständnis der Faktoren, die auf Risikowahrnehmung und Risikoverhalten wirken. Gerade die Risikoexperten müssen lernen, mit ihren Kunden verschiedene Einflüsse auf Risikowahrnehmung und Entscheidungsqualität zu erörtern. Und zwar bevor die Entscheidung für einen Weg fällt.

Nur dann werden Organisationen ihren eigenen Risikoappetit richtig verstehen und so zum Ausdruck bringen können, dass ein angemessenes Eingehen von Risiken auf allen Ebenen Erfolg verspricht.


Weiterführende Informationen:

Letzte Aktualisierung: 11. Februar 2022 / Copyright Gita GmbH / PMI, PMP und PMI-ACP sind eingetragene Warenzeichen des Project Management Institute, PMI (www.pmi.org) / WTIN: M1004

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